Wie funktionieren Zertifikate?

In den letzten Jahren hat sich die Zahl der Markt angebotenen Zertifikate vervielfacht. Neue, ausgeklügelte Konstruktionen bieten Anlegern die Chance, zu investieren, wie die Profis. Laien fehlt oft der Durchblick und viele wissen gar nicht, wie Zertifikate funktionieren. In diesem Artikel erkläre ich euch die Grundlagen

Zertifikate sind in Deutschland eine junge Anlageform. Sie wurden im Jahr 1990 zum ersten Mal an der Börse gehandelt. Die Anfänge waren ziemlich unspektakulär, ja eher bescheiden. Die Dresdner Bank bot damals ihren Kunden einen so genannten „Partizipationsschein“ auf den DAX- Index an und legte damit quasi den Grundstein für Zertifikate. Es ist kein Geheimnis, dass Investoren ihr Vermögen langfristig sehr erfolgreich und vor allem einfach vermehren können, wenn sie sich an einem öffentlich publizierten Aktienindex orientieren. Nun ist ein Index leider kein Wertpapier, das man einfachen kaufen kann. Privatanleger mit begrenzter Kapitalausstattung haben kaum die Möglichkeit, einen Index durch Kauf der darin enthaltenen Aktientitel nachzubilden.

Aus dieser Situation heraus entstand die Idee der Zertifikate. Damit auch Anleger mit geringem Kapitaleinsatz einen Index (z. B. den DAX®) ‚kaufen’ können, musste ein derivatives (derivativ = abgeleitet) Instrument ‚erfunden’ werden, dessen Wertentwicklung genau den Verlauf des Index abbildet. So entstand eben dieser erste Partizipationsschein, den man heute als Zertifikat bezeichnet. Diese Lösung ist einfach und genial!


Wie funktionieren diese Zertifikate im Deatil?

Ein Emittent begibt eine Schuldverschreibung und versieht diese mit entsprechenden Rückzahlungsmodalitäten am Ende einer festgelegten Laufzeit. Bei einem so genannten Index-Zertifikat verpflichtet sich der Herausgeber (Emittent) beispielsweise, pro Papier einen dem zugrunde liegenden Index entsprechenden Geldbetrag unter Berücksichtigung eines bestimmten Bezugsverhältnisses an den Käufer des Papiers auszuzahlen. Zertifikate bieten dem Anleger damit die Möglichkeit, an der Kursentwicklung der den jeweiligen Papieren zugrunde liegenden Basiswerte zu partizipieren.

Zertifikate sind rechtlich gesehen keine Sachwertanlagen, sondern verbriefen Verbindlichkeiten eines Emittenten. Ein Zertifikat ist damit also ein Wertpapier in der Rechtsform einer Schuldverschreibung bzw. Anleihe. Es zählt zu den Derivaten und den strukturierten Finanzprodukten und wird im Gegensatz zu Fonds direkt vertrieben. Zertifkate ermöglichen dem Käufer, an der Entwicklung eines Basiswertes (auch „Underlying” genannt)zu partizipieren. So realisiert etwa der Käufer am Beispiel eines Index-Zertifikats auf Basis des Deutschen Aktienindex DAX® dessen Wertentwicklung, ohne in das entsprechende Aktienportfolio direkt investieren zu müssen. Im Vergleich zu einem solchen Direkt-Investment ist der Investitionsbedarf für das entsprechende Zertifikat aber sehr gering.

Ausstattungsmerkmale

Wie andere Wertpapiere oder andere Finanzanlagen haben auch Zertifikate ganz bestimmte Ausstattungsmerkmale, die für das Handling notwendig sind. Sie sind verbindlich und regeln das Verhältnis zwischen Emittent und Investor. Im Gegensatz zu anderen Wertpapieren, wie Aktien, Investmentfonds oder Festverzinslichen Wertpapieren gibt es bei Zertifikaten keine Ausschüttungen in Form von Zinsen oder Dividenden. Die einzige Profitmöglichkeit der Zertifikate besteht im Erzielen von Kursgewinnen.


Der Emissionszeitpunkt

Wie für Aktien und Festverzinslichen Papieren gibt es auch für Zertifikate einen Emissionszeitpunkt. Er stellt das Datum dar, an dem diese Papiere zum ersten Mal gekauft werden können. Je nach Emittent wird für manche Zertifikate ein Ausgabeaufschlag erhoben. Das ist in der Regel bei Neuemissionen der Fall. Interessierte Anleger sollten daher prüfen, ob es nicht zu ihrem Wunschzertifikat Alternativen von anderen Emittenten gibt, die keinen Ausgabeaufschlag berechnen. Unter Umständen kann es auch günstiger sein, Zertifikate später nach der Emission an der Börse zu kaufen.


Laufzeit und Fälligkeit

Die Laufzeit ist von Zertifikat zu Zertifikat unterschiedlich und hängt vom jeweiligen Typ des Papiers ab. Grundsätzlich handelt es sich hierbei um den Zeitraum zwischen Emissionstag und Fälligkeitstag. Die Laufzeit regelt, ab wann der Emittent der Zertifikate die Rückzahlung an den Anleger leisten muss. Die Fälligkeit bezeichnet den Zeitpunkt, an dem das Zertifikat ‚verfällt’. Das heißt keineswegs, dass es an diesem Tag wertlos wird. Es handelt sich vielmehr beim Fälligkeitsdatum um einen Stichtag, an dem der Wert der Zertifikate an den Käufer zurück gezahlt werden muss.

Mein Tipp:
Achtet darauf, dass ihr immer Zertifikate mit einer ausreichenden Restlaufzeit auswählt. Das gilt besonders dann, wenn ihr eure Papiere nicht innerhalb der zwölfmonatigen Spekulationsfrist liquidieren wollen.

Einige Zertifikate haben den Zusatz ‚open-end’. Das bedeutet, dass solche Papiere quasi nie auslaufen. Sie laufen im Prinzip ewig. Allerdings behalten sich viele Emittenten das Recht vor, Open-end-Zertifikate vom Markt zu nehmen. Dies muss aber mit einer ausreichenden Frist angekündigt werden.


Bezugsverhältnis

Das Bezugsverhältnis gibt an, wie eng ein Zertifikat an die Kursentwicklung seines jeweiligen Basiswertes gekoppelt ist. Bei einem Bezugsverhältnis von 1 : 1 entspricht der Kurs eines Zertifikats exakt dem Kurs des Basiswertes. Wenn zum Beispiel ein Index einen Stand von 10.000 Punkten hat, dann ist der Kurs des dazugehörigen Zertifikats ebenfalls 10.000 Euro. Bei einem Bezugsverhältnis von 1 : 10 würde der Kurs des Zertifikats einem Zehntel des Indexstandes entsprechen, in diesem Fall also 1.000 Euro. Das Bezugsverhältnis ist von Papier zu Papier unterschiedlich. Die Information darüber, wie das Bezugsverhältnis für bestimmte Zertifikate geregelt ist, steht im Emissionsprospekt.


Währung

In der Regel notieren die gängigsten Zertifikate, die auf dem deutschen Markt angeboten werden, in Euro. Selbstverständlich gibt es aber auch welche, die in einer Fremdwährung (z.B. US-Dollar oder Yen) als Basiswährung angeboten werden. Dann ergeben sich für den deutschen Anleger Währungsrisiken, die man kennen und beachten sollte. Bei einigen Zertifikaten können auch Kauf- und Rückzahlungswährung von einander abweichen. So kann es vorkommen, dass auf Euro laufende Zertifikate in US-Dollar zurückgezahlt werden.


Verbindlichkeitsrang

Rechtlich betrachtet, gleichen Zertifikate Schuldverschreibungen. Aus diesem Grund ist ein Ausstattungsmerkmal von besonderer Bedeutung: Der Rang der Verbindlichkeit. Der Emittent des Papiers verpflichtet sich gegenüber dem Käufer und späterem Inhaber, nach festgelegten Konditionen Geld an die Anleger zurück zuzahlen. Diese Rückzahlung wird jedoch erheblich gefährdet, wenn der Emittent der Zertifikate zahlungsunfähig wird. Deshalb ist es von entscheidender Bedeutung, welchen Rang die Verbindlichkeiten der Emittenten haben, die durch das Zertifikat verbrieft werden. In der Regel unterscheidet man zwischen erstrangeigen und nachrangigen Verbindlichkeiten. Erstrangige werden in einem Konkursfall bevorzugt behandelt und vor allen anderen Verbindlichkeiten bedient. Bei nachrangigen Verbindlichkeiten erhalten Gläubiger erst dann Geld aus der Konkursmasse, wenn alle übrigen (vorrangigen) Gläubiger ausreichend bedient wurden. Sollte das verbleibende Kapital aus der Konkursmasse dann nicht mehr ausreichen, so müssen Inhaber nachrangiger Zertifikate mit einem Totalverlust rechnen.

Mein Tipp:
Achtet vor dem Kauf eines Zertifikats immer auf die Einstufung des jeweiligen Papiers beim Emittenten.


Sonderrechte des Emittenten

Für bestimmte Zertifikate werden Sonderrechte des Emittenten verbrieft, die es ihm ermöglichen, bestimmte Handlungen vorzunehmen. Das gilt vor allem für Endlos- Zertifikate mit unbegrenzter Laufzeit. Emittenten räumen sich häufig das Recht ein, das Zertifikat zu bestimmten Zeitpunkten zu kündigen. Das bedeutet, dass sie ein Papier mit endloser Laufzeit in eines mit begrenzter umwandeln dürfen. Darüber hinaus sind auch Sonderrechte denkbar, die es Emittenten erlauben, die Rückzahlungshöhe des Papiers zu begrenzen.

Mein Tipp:
Studiert vor dem Kauf eines Papiers den Emissionsprospekt penibel und gründlich, damit ihr auch alle Modalitäten kennen lernt.


Die Quotierung

Wie wir bereits erwähnt, könnt ihr Zertifikate gleich bei der Emission oder später an der Börse erwerben. In der Regel erfolgt der Kauf aber in den meisten Fällen über die Börse. Zertifikate notieren meistens im Freiverkehr, was aber keinerlei Rückschluss auf die Qualität der Papiere zulässt. Im Freiverkehr besteht ein mehr oder weniger immer vorhandenes Liquiditätsproblem, da die Umsätze einzelner Papiere unter Umständen sehr gering ausfallen können. Bei Zertifikaten ist dies aber anders. Die Emittenten betreiben ein so genanntes Market Making. Das bedeutet, dass Emittenten für ihre Zertifikate laufend An- und Verkaufskurse stellen müssen, um einen reibungslosen und gut funktionierenden Handel zu gewährleisten.

Die vom Emittenten gestellten Kurse müssen dem ‚Fair Value’ für Zertifikate entsprechen und lassen sich relativ einfach berechnen. Emittenten sind aber nicht die Wohlfahrt und ihr Ziel ist es, mit der Auflegung von Zertifikaten möglichst hohen Profit zu erzielen. In der Praxis werden die Kurse der Zertifikate daher nicht auf Basis des Fair Value errechnet, sondern mit Ab- bzw. Aufschlägen auf den fairen Wert. Die Differenz zu den Kursauf- bzw. –abschlägen wird als Spread bezeichnet und die Spanne als Geld/Brief- Spanne. Die Market Maker stellen für jedes Zertifikat zwei Kurse. Den Verkaufskurs, zu dem der Emittent bereit ist, Kaufaufträge abzuwickeln (Briefkurs), und den Ankaufskurs, zu dem der Emittent die Verkaufsaufträge seiner Kunden bedient (Geldkurs).

Kurze Info: Was ist ein Spread?
Beim Spread handelt es sich um die Differenz zwischen dem An- und Verkaufskurs eines Zertifikats. Der Ankaufskurs wird auch als Geldkurs, der Verkaufskurs auch als Briefkurs bezeichnet. Bei manchen Papieren (z.B. Indexzertifikaten) fällt der Spread allerdings komplett weg. Hier beträgt die Geld/Briefspanne genau 0

Der Briefkurs für Zertifikate ist dabei immer höher als der Geldkurs. Das bedeutet, Anleger, die ihre Zertifikate verkaufen wollen, bekommen einen niedrigeren Kurs als diejenigen, die Papiere kaufen wollen. Der Spread trägt wesentlich zu den Profiten der Emittenten bei. Die Höhe des Spread wird a priori von den Emittenten der Zertifikate im Verkaufsprospekt festgelegt. Unter Umständen kann hiervon auch im weiteren Zeitverlauf abgewichen werden.


Gebühren bei Zertifikaten

Auch wenn Zertifikate allgemein als sehr kostengünstige Anlage-Alternative gelten, so fallen bei deren An- und Verkauf doch Gebühren an, die zu berücksichtigen sind. Wie bei anderen Anlagen auch, haben sie direkten Einfluss auf den Anlageerfolg. Fleißiges An- und Verkaufen hat zur Folge, dass die Gebühren die erzielbare Rendite deutlich schmälern können. Folgende Gebühre fallen für Zertifikate an:

Aufgeld
Ein Aufgeld fällt nur bei relativ wenigen Zertifikaten an. Besonders betroffen sind die so genannten ‚Basket-Zertifikate’. Bei diesem Typ Zertifikate wollen Emittenten gleich am Emissionstag verdienen. Das Aufgeld zahlt ihr zusätzlich zum Kaufkurs. Die Höhe ist natürlich von Papier zu Papier unterschiedlich und beträgt in der Regel zwischen einem und drei Prozent.
Spread
Die Differenz zwischen dem An- und Verkaufskursen der Zertifikate muss im börslichen als auch im außerbörslichen Handel entrichtet werden. Die Spanne des Spread kann je nach Papier und abgebildeten Basiswert ab und an bei zwei oder mehr Prozent liegen.
Bank-/Brokergebühren
Beim Kauf und Verkauf verlangt das Depotführende Institut in der Regel Transaktionsgebühren. Diese sind ungefähr so hoch wie beim Handel mit Aktien. Für spezielle Sparpläne mit Zertifikaten werden diese Gebühren aber im Sinne der Anleger bzw. Sparer meistens etwas reduziert. Viele Institute bieten für den außerbörslichen Handel auch Sonderkonditionen für viele Zertifikate an, die teilweise niedriger sind als beim börslichen Handel.

Börsengebühr für Zertifikate
Diese geringe Gebühr fällt nur beim börslichen Handel an. Früher war sie in den Bank- oder Brokergebühren bereits enthalten. Im Zuge der Gewinnmaximierung vieler Institute wird sie aber heute meist extra berechnet.
Maklercourtage
Eine Maklercourtage fällt für Zertifikate nur beim börslichen Handel an. Hierbei handelt es sich um die Provision für die Börsenmakler, die derzeit mit 0,08 Prozent vom Auftragsvolumen in Rechnung gestellt wird.
Managementgebühr
Ähnlich wie bei Investmentfonds berechnen einige Emittenten eine Managementgebühr für ihre Zertifikate, die in der Regel bei 0,5 Prozent p.a. liegt.

Neben diesen Kosten können Zertifikate aber auch indirekte Kosten enthalten. Sie beteiligen Anleger in der Regel nicht an Dividendenausschüttungen. Da Anlegern diese Ausschüttungen im Gegensatz zum Direktengagement entgehen, können sie auch als indirekte Kosten für Zertifikate aufgefasst werden. Die Höhe ist vom jeweiligen Basisobjekt abhängig. Wenn es sich bei diesem Basisobjekt beispielsweise um eine dividendenstarke Aktie handelt, können Anlegern gut und gerne Erträge von vier oder fünf Prozent entgehen. Wenn es sich hingegen um einen Aktienkorb von Werten handelt, die als nicht so dividendenstark gelten, fällt dieser entgangene Gewinn für die Zertifikate nicht so sehr ins Gewicht.


Zusammenfassung

Zertifikate…
 sind ihrer rechtlichen Struktur nach Inhaberschuldverschreibungen, also Anleihen,
 besitzen einen Rückzahlungsbetrag, der nach bestimmten Modalitäten von der Kursentwicklung eines Basiswertes (Index, Aktien, Aktienkorb, Währung, Rohstoff usw.) abhängig ist,
 sind börslich oder außerbörslich handelbar,
 haben eine begrenzte oder unbegrenzt Laufzeit,
 und besitzen einen jederzeit berechenbaren Wert.